Die universale Deklaration der Sprachrechte, 1996 (DE)

Die universale Deklaration der Sprachrechte (deutsche Version)


PRÄAMBEL

Die Stellung jeder Sprache ist das Ergebnis von der Konvergenz und der Interaktion einer Vielfalt von Faktoren politischer und gesetzlicher, ideologischer und historischer, demographischer und territorialer, ökonomischer und sozialer, kultureller, linguistischer und soziolinguistischer, interlinguistischer und subjektiver Natur.
Gegenwärtig lassen sich diese Faktoren folgendermaßen definieren:
- Die althergebrachte vereinheitlichende Tendenz der Mehrzahl der Staaten, Vielfalt zu reduzieren und solche Einstellungen zu fördern, die einen kulturellen und sprachlichen Pluralismus ablehnen.
- Der Trend zu einer weltumfassenden Wirtschaft und demzufolge einem weltumfassenden Markt für Information, Kommunikation und Kultur, was die Beziehungen und die verschiedenen Formen von Interaktion erschüttert, die den internen Zusammenhalt sprachlicher Gemeinschaften garantieren.
- Das von übernationalen Wirtschaftsgruppen geförderte wirtschaftliche Zuwachsmodell, das tendiert, Regellosigkeit mit Fortschritt und auf Wettbewerb eingestellten Individualismus mit Freiheit gleichzusetzen und somit ernsthafte wirtschaftliche, soziale, kulturelle und sprachliche Ungleichheit mit sich bringt.
Was eine sprachliche Gemeinschaft zur Zeit bedroht, sind mangelnde Selbstverwaltung, eine begrenzte, bzw. teilweise oder gänzlich verstreute Bevölkerung, eine unsichere Ökonomie, eine unkodifizierte Sprache oder ein kulturelles Modell, das von dem jeweils vorherrschenden abweicht, was das Überleben und die Entwicklung vieler Sprachen unmöglich macht, falls nicht folgende Ziele beachtet werden:
- In einer politischen Perspektive: das Ziel, einen Weg zu finden, um linguistische Vielfalt so zu organisieren, daß verschiedene Sprachgemeinschaften sich effektiv an diesem neuen Zuwachsmodell beteiligen können.
- In einer kulturellen Perspektive: das Ziel, den weltweiten Kommunikationsraum vereinbar zu machen mit dem Recht aller Völker, Sprachgemeinschaften und Individuen, am Entwicklungsprozess Anteil zu haben.
- In einer wirtschaftlichen Perspektive: das Ziel, eine haltbare Entwicklung zu fördern, woran alle sich beteiligen und die von Rücksicht auf ökologisches Gleichgewicht und gerechte Beziehungen zwischen allen Sprachen und Kulturen geprägt ist.

Aus allen diesen Gründen nimmt diese Deklaration Sprachgemeinschaften und nicht Staaten als Ausgangspunkt und setzt sich für die Verstärkung solcher internationalen Institutionen ein, die imstande sind, eine haltbare und gerechte Entwicklung der ganzen Menschheit zu garantieren. Aus diesen Gründen ist sie auch bestrebt, ein politisches Gerüst für sprachliche Vielfalt zu errichten, das sich auf Respekt, harmonischer Koexistenz und gegenseitigem Vorteil gründet.                           
         
EINLEITENDER TITEL
Begriffe

Artikel 1
1. Diese Deklaration betrachtet als Sprachgemeinschaft jede menschliche Gesellschaft, in einem besonderen territorialen Raum historisch etabliert, ob dieser anerkannt ist oder nicht, die sich als ein Volk identifiziert und eine gemeinsame Sprache als Kommunikationsmittel und kulturellen Zusammenhalt unter ihren Mitgliedern entwickelt hat. Der Ausdruck gebietseigene Sprache bezieht sich auf die Sprache der Gemeinschaft, die sich in einem solchen Raum historisch etabliert hat.
2. Diese Deklaration nimmt als Ausgangspunkt das Prinzip, daß sprachliche Rechte gleichzeitig individuell und kollektiv sind. Bei der Definition der Sprachrechte im weitesten Sinne geht sie von einer historischen Sprachgemeinschaft innerhalb von deren eigenem territorialen Raum aus, wobei dieser Raum nicht nur als das geographische Gebiet, wo die Gemeinschaft wohnt, sondern auch als sozialer und funktioneller Raum, notwendig für die volle Entwicklung der Sprache, verstanden wird. Nur unter dieser Voraussetzung sind die Progression und die Kontinuität der Rechte der unter Punkt 5 in diesem Artikel erwähnten Sprachgruppen und der Individuen, die außerhalb des Territoriums ihrer Gemeinschaft wohnen, zu definieren.
3. Im Sinne dieser Deklaration sind Gruppen auf ihrem eigenen Gebiet ansässig und Mitglieder einer Sprachgemeinschaft:
i. wenn sie von dem Hauptteil ihrer Gemeinschaft durch politische und administrative Grenzen getrennt sind;
ii. wenn sie auf einem begrenzten geographischen Gebiet, von Mitgliedern anderer Sprachgemeinschaften umgeben, historisch etabliert sind; oder
iii. wenn sie auf einem geographischen Gebiet etabliert sind, das sie mit Mitgliedern anderer Sprachgemeinschaften teilen, die eine ähnliche Geschichte haben.
4. Diese Deklaration betrachtet auch Nomadenvölker auf ihren Umzugsgebieten und geographisch verstreut lebende Völker als Sprachgemeinschaften auf ihrem eigenen historischen Territorium.
5. Diese Deklaration betrachtet als Sprachgruppe jede Gruppe von Menschen, die eine gemeinsame Sprache haben und die in dem territorialen Raum einer anderen Sprachgemeinschaft ansässig sind, mit der sie aber keine gemeinsame Geschichte teilen. Beispiele von solchen Gruppen sind Immigranten, Flüchtlinge, Umgesiedelte und Angehörige der Diaspora.

Artikel 2
1. Diese Deklaration betont, daß, wenn überhaupt verschiedene Sprachgemeinschaften und Gruppen dasselbe Territorium miteinander teilen, die in dieser Deklaration formulierten Rechte mit gegenseitigem Respekt ausgeübt werden müssen und in solcher Weise, daß Demokratie in so hohem Maße wie möglich garantiert werden kann.
2. Im Streben nach einem zufriedenstellenden soziolinguistischen Gleichgewicht, d.h. um die angemessene Verbindung zwischen den jeweiligen Rechten solcher Sprachgemeinschaften und Gruppen und denen der dazu gehörigen Personen festzulegen, müssen andere Faktoren als ihre jeweiligen historischen Wurzeln auf dem Territorium und ihr demokratisch ausgedrückter Wille berücksichtigt werden. Solche Faktoren, die eventuell kompensatorische Behandlung zwecks Wiederherstellung des Gleichgewichts erfordern, beziehen die ihrer Natur nach erzwungenen Übersiedlungen ein, die zu der Koexistenz unterschiedlicher Gemeinschaften und Gruppen und zu deren politischer, sozioökonomischer und kultureller Verwundbarkeit geführt haben.

Artikel 3
1. Diese Deklaration betrachtet als unveräußerliche persönliche Rechte, die in jeder Situation auszuüben sind:
- das Recht, als Mitglied einer Sprachgemeinschaft anerkannt zu werden;
- das Recht, seine eigene Sprache sowohl privat als auch öffentlich zu verwenden;
- das Recht, seinen eigenen Namen zu verwenden;
- das Recht, mit anderen Mitgliedern der eigenen Sprachgemeinschaft Kontakt aufzunehmen und mit ihnen Verbindungen einzugehen;
- das Recht, seine eigene Kultur beizubehalten und zu entwickeln; sowie alle übrigen, sich auf Sprache beziehenden Rechte, die im Internationalen Abkommen über Zivil- und Politische Rechte vom 16. Dezember 1966 und im Internationalen Abkommen über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte desselben Datums anerkannt werden.
2. Diese Deklaration betont, daß die kollektiven Rechte der Sprachgruppen, zusätzlich zu den Rechten, die sich auf Mitglieder von Sprachgruppen im vorhergehenden Abschnitt beziehen und in Übereinstimmung mit den im Artikel 2.2. dargelegten Bedingungen, folgendes beinhalten können:
- das Recht auf Unterricht in ihrer eigenen Sprache;
- das Recht auf kulturelle Dienstleistungen;
- das Recht auf eine angemessene Präsenz ihrer Sprache und Kultur in den  Kommunikationsmedien;
- das Recht, im Umgang mit Behörden und in sozioökonomischen Beziehungen in ihrer eigenen Sprache begegnet zu werden.
3. Die obenerwähnten Rechte von Personen und Sprachgruppen dürfen in keinerlei Weise ihre Verbindung  mit der empfangenden Sprachgemeinschaft oder ihre Integration in diese Gemeinschaft verhindern. Sie dürfen auch nicht die Rechte dieser Gemeinschaft oder die ihrer Mitglieder zu einer vollen öffentlichen Verwendung ihrer Sprache in ihrem ganzen territorialen Raum begrenzen.

Artikel 4
1. Diese Deklaration betont, daß Personen, die zum Territorium einer anderen Sprachgemeinschaft übersiedeln und sich dort niederlassen, als Anrecht und Pflicht haben, eine Einstellung von Integration gegenüber dieser Gemeinschaft zu bekunden. Dieser Ausdruck bedeutet ein zusätzliches Eingliedern von diesen Personen in solcher Weise, daß sie ihre ursprünglichen kulturellen Merkmale beibehalten können, während sie mit der empfangenden Gesellschaft genug Verbindungen, gemeinsame Werte und Verhaltensformen teilen, um sozial und beruflich funktionieren zu können ohne größere Schwierigkeiten als die  Mitglieder der  empfangenden Gemeinschaft erleben.
2. Diese Deklaration betont andererseits, daß Assimilation, d.h. eine solche Anpassung an die Kultur der empfangenden Gesellschaft, daß die ursprünglichen Kulturmerkmale von den Verbindungen, Werten und Verhaltensformen dieser Gesellschaft verdrängt werden, in keinerlei Weise erzwungen oder veranlasst werden kann und nur das Ergebnis einer vollkommen freien Wahl sein kann.

Artikel 5
Diese Deklaration gründet sich auf das Prinzip, daß alle Sprachgemeinschaften gleiche Rechte haben und daß diese vom gesetzlichen und politischen Status der Sprachen als offizielle, regionale oder Minoritätssprachen unabhängig sind. Bezeichnungen wie regionale oder Minoritätssprachen werden in dieser Deklaration nicht verwendet, weil, obgleich ihre Anerkennung in gewissen Fällen das Ausüben von gewissen Rechten erleichtern kann, diese und andere Bezeichnungen häufig dazu gebraucht werden, die Rechte der Sprachgemeinschaften zu begrenzen.

Artikel 6
Diese Deklaration betont, daß eine Sprache nicht als gebietseigen nur unter dem Vorwand  betrachtet werden kann, daß sie die offizielle Sprache des Staates ist, oder auf dem Gebiet als Amtssprache oder im Rahmen gewisser kultureller Aktivitäten traditionell verwendet worden ist.

TITEL EINS
Allgemeine Prinzipien

Artikel 7
1. Alle Sprachen sind Ausdruck einer kollektiven Identität und einer unterschiedlichen Art, die Wirklichkeit aufzufassen und zu beschreiben und müssen deshalb die erforderlichen Bedingungen für ihre Entwicklung in allen Bereichen genießen.
2. Jede Sprache ist kollektiv konstituiert und steht den Mitgliedern einer Gemeinschaft zur Verfügung als Mittel für Kohäsion, Identifikation, Kommunikation und schöpferischen Ausdruck.

Artikel 8
1. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, ihre eigenen Ressourcen so zu organisieren und gebrauchen, daß die Verwendung ihrer Sprache in allen gesellschaftlichen Funktionen gewährleistet wird.
2. Jede Sprachgemeinschaft ist berechtigt, die Mittel zur Verfügung zu haben, die nötig sind, um die Transmission und die Kontinuität ihrer Sprache zu sichern.

Artikel 9
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht zur Kodifizierung, Standardisierung, Beibehaltung, Entwicklung und Unterstützung ihres sprachlichen Systems ohne angeordnetes oder aufgezwungenes Einmischen.

Artikel 10
1. Alle Sprachgemeinschaften sind gleichberechtigt.
2. Diese Deklaration betrachtet jede Diskriminierung von Sprachgemeinschaften als unannehmbar, ob sie sich auf dem Grad ihrer politischen Souveränität, ihrer sozialen, wirtschaftlichen o.ä. Situation, dem Niveau der Kodifizierung, Aktualisierung und Modernisierung ihrer Sprache oder irgendeinem anderen Kriterium stützt.
3. Alle nötigen Maßnahmen müssen getroffen werden, um dieses Prinzip der Gleichheit durchzuführen und es wirksam zu machen.

Artikel 11
Jede Sprachgemeinschaft ist berechtigt, Mittel für die Übersetzung in andere oder aus anderen Sprachen zur Verfügung zu haben, damit die in dieser Deklaration enthaltenen Rechte gewährleistet werden können.

Artikel 12
1. Jedermann hat das Recht, sich in seinen/ihren öffentlichen Aktivitäten seiner/ihrer Sprache zu bedienen, vorausgesetzt daß es sich um die Sprache des Gebietes handelt, wo er/sie wohnhaft ist.
2. Jedermann hat das Recht, sich seiner/ihrer Sprache in seiner/ihrer persönlichen und familieneigenen Sphäre zu bedienen.

Artikel 13
1. Jedermann hat das Recht, die Sprache des Gebietes zu lernen, in dem er/sie wohnt.
2. Jedermann hat das Recht, polyglott zu sein und die Sprache zu beherrschen und zu verwenden, die seiner/ihrer persönlichen Entwicklung und sozialen Mobilität am nützlichsten ist, ohne Vorurteile gegenüber den in dieser Deklaration festgesetzten Garantien für die öffentliche Verwendung der gebietseigenen Sprache.

Artikel 14
Die Bestimmungen dieser Deklaration können nicht in der Weise interpretiert oder gebraucht werden, daß sie solchen, für die Verwendung der gebietseigenen Sprache, günstigeren Normen oder Praktiken widersprechen, die auf den internen oder internationalen Status einer Sprache zurückzuführen sind.

TITEL ZWEI
Allgemeine sprachliche Regelung

Sektion 1
Verwaltung und Behörden

Artikel 15
1. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, ihre Sprache innerhalb ihres eigenen Gebietes offiziell zu verwenden.
2. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht zu verlangen, daß juristische und verwaltungs-technische Verordnungen, öffentliche und private Dokumente sowie Aufzeichnungen in öffentlichen Registern in der Sprache des Gebietes gültig und wirksam sind und daß niemand behaupten kann, dieser Sprache unkundig zu sein.

Artikel 16
Alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft haben das Recht, sich ihrer Sprache im Umgang mit öffentlichen Behörden zu bedienen und von denen auch in dieser Sprache angeredet zu werden. Dieses Recht umfasst auch zentrale, territoriale, lokale und supraterritoriale Organe, wirksam in dem Gebiet, zu dem diese Sprache gehört.

Artikel 17
1. Jede Sprachgemeinschaft ist berechtigt, alle offiziellen Dokumente, die ihr eigenes Gebiet betreffen, in ihrer eigenen Sprache zur Verfügung zu haben, sei es in gedruckter, magnetischer oder irgendeiner anderen Form.
2. Formulare und administrative Standarddokumente, sei es in gedruckter, magnetischer oder irgendeiner anderen Form, müssen von den öffentlichen Behörden dem Publikum in allen Sprachen der Gebiete zugänglich gemacht werden, die die Behörden abdecken und zu denen die betreffenden Sprachen gehören.

Artikel 18
1. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht zu verlangen, daß Gesetze und Verordnungen, die sie betreffen, in der gebietseigenen Sprache veröffentlicht werden.
2. Behörden, die mehr als eine im Territorium historische Sprache innerhalb ihrer Jurisdiktion haben, müssen alle Gesetze und Verordnungen allgemeiner Natur in jeder von diesen Sprachen veröffentlichen, unabgesehen davon, ob ihre Sprecher andere Sprachen verstehen.

Artikel 19
1. Versammlungen von Repräsentanten müssen als offizielle Sprache(n) die auf dem Gebiet, das sie vertreten, historisch gesprochene(n) Sprache(n) haben.
2. Dieses Recht gilt auch für die Sprachen von den im Artikel 1, Paragraph.4, erwähnten, geographisch verstreut lebenden Gemeinschaften.

Artikel 20
1. Jedermann hat das Recht,  die Sprache, die auf einem Gebiet historisch gesprochen wurde, in den auf diesem Gebiet befindlichen Gerichten sowohl schriftlich als auch mündlich zu verwenden. Die Gerichte müssen die gebietseigene Sprache in ihrem internen Vorgehen verwenden und falls auf Grund des gesetzlichen Systems im Staate die Gerichtsverfahren anderswohin verlegt werden, muß die ursprüngliche Sprache weiterhin verwendet werden.
2. Jedermann hat das Recht, in allen Rechtssachen in einer Sprache geprüft zu werden, die er/sie versteht und sprechen kann und darf die Dienste eines unentgeltlichen Dolmetschers beanspruchen.

Artikel 21
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht zu verlangen, daß Aufzeichnungen in öffentlichen Registern in der gebietseigenen Sprache gemacht werden.

Artikel 22
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht zu verlangen, daß notariell beglaubigte oder von anderen bevollmächtigten Beamten bescheinigte Dokumente in der Sprache des Gebietes, wofür dieser/diese Beamte zuständig ist, aufgesetzt werden.

Sektion II
Unterricht

Artikel 23
1. Der Unterricht muß dazu beitragen, die sprachliche und kulturelle Ausdrucksfähigkeit der Sprachgemeinschaft des Gebietes zu fördern, wo er geboten wird.
2. Der Unterricht muß dazu beitragen, die Sprache zu wahren und zu entwickeln, die von der Sprachgemeinschaft des Gebietes gesprochen wird, wo er geboten wird.
3. Der Unterricht muß immer der sprachlichen und kulturellen Vielfalt dienen, ebenso wie den harmonischen Beziehungen zwischen verschiedenen Sprachgemeinschaften in der ganzen Welt.
4. Im Hinblick auf die obenerwähnten Prinzipien har jedermann das Recht, jede beliebige Sprache zu erlernen.

Artikel 24
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht zu entscheiden, in welchem Maße ihre Sprache präsent sein soll, als Vermittler und als Studienobjekt, auf allen Unterrichtsstufen: Vorschule, Grundschule, Gymnasium, Technische Schule, Berufsschule, Universität und Erwachsenenausbildung.

Artikel 25
Jede Sprachgemeinschaft ist berechtigt, alle menschlichen und materiellen Ressourcen zu ihrer Verfügung zu haben, die notwendig sind, um zu gewährleisten, daß die Sprache auf allen Unterrichtsstufen ihres Gebietes in dem Ausmaße präsent ist, wie sie es wünscht: gehörig ausgebildete LehrerInnen, angemessene Unterrichtsmethoden, Lehrbücher, Finanzen, Räumlichkeiten und Ausrüstung, traditionelle und innovative Technologie.

Artikel 26
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht auf einen Unterricht, der es ihren Mitgliedern ermöglicht, ihre eigene Sprache vollständig zu beherrschen, alle üblichen Bereiche der Verwendung einbegriffen, sowie die bestmöglichen Kenntnisse in jeder Sprache, die sie zu erlernen wünschen.

Artikel 27
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht auf einen Unterricht, der es ihren Mitgliedern ermöglicht, sich in den Sprachen Kennnisse zu verschaffen, die eine Beziehung zu ihrer eigenen kulturellen Tradition haben, wie literarische oder erhabene Sprachen, die früher in ihrer Gemeinschaft gebräuchlich waren.

Artikel 28
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht auf einen Unterricht, der es ihren Mitgliedern ermöglicht, sich vertiefte Kenntnisse ihres Kulturerbes anzueignen (Geschichte, Erdkunde, Literatur und andere Manifestationen ihrer eigenen Kultur), sowie die bestmöglichen Kenntnisse irgendeiner anderen Kultur, die sie kennenlernen wollen.

Artikel 29
1. Jedermann hat das Recht, in der Sprache Unterricht zu erhalten, die zu dem Gebiet gehört, wo er/sie wohnhaft ist.
2. Dieses Recht schließt nicht das Recht aus, sich mündliche und schriftliche Kenntnisse in irgendeiner Sprache zu verschaffen, die ihm/ihr als Mittel zur Kommunikation mit anderen Sprachgemeinschaften nützlich sein kann.

Artikel 30
Die Sprache und Kultur aller Sprachgemeinschaften muß Studiums- und Forschungs- gegenstand auf Universitätsniveau sein.

Sektion III
Eigennamen

Artikel 31
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, ihr eigenes System für Eigennamen in allen Bereichen und bei allen Gelegenheiten beizubehalten und zu verwenden.                                                           
 
Artikel 32    
1. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, Ortsnamen in der gebietseigenen Sprache zu verwenden, sowohl mündlich als auch schriftlich, in den privaten, öffentlichen und offiziellen Bereichen.
2. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, autochtone Ortsnamen zu etablieren, beizubehalten und zu revidieren. Solche Ortsnamen können nicht willkürlich beseitigt, verdreht oder angepaßt werden, auch können sie nicht ersetzt werden, falls die politische Situation verändert wird oder andere Veränderungen eintreten.

Artikel 33
Alle Sprachgemeinschaften haben das Recht, sich in ihrer eigenen Sprache zu benennen. Jede Übersetzung in andere Sprachen muß demzufolge unklare oder abwertende Benennungen vermeiden.

Artikel 34
Jedermann hat das Recht, seinen/ihren eigenen Namen in seiner/ihrer Sprache in allen Bereichen zu verwenden, sowie das Recht auf die möglichst exakte phonetische Transkription seines/ihres Namens in ein anderes Schriftsystem.

Sektion IV
Kommunikationsmedien und neue Technologien

Artikel 35
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht zu entscheiden, in welchem Maße ihre Sprache in den Medien ihres Gebietes präsent sein soll, ob lokale und traditionelle Medien, solche mit einer größeren Tragweite oder mit einer avancierteren Technologie, unabhängig von der Methode der Verteilung oder Übertragung.

Artikel 36
Jede Sprachgemeinschaft ist berechtigt, alle menschlichen und materiellen Ressourcen zu ihrer Verfügung zu haben, um den erwünschten Präsenzgrad ihrer Sprache und die erwünschten Möglichkeiten zu kultureller Selbstdarstellung in den Medien ihres Gebietes zu sichern: gebührend ausgebildetes Personal, Finanzen, Räumlichkeiten und Ausrüstung, traditionelle und innovative Technologie.

Artikel 37
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, durch die Medien vertiefte Kenntnisse ihres Kulturerbes zu erhalten (Geschichte, Erdkunde, Literatur und andere Manifestationen ihrer Kultur), sowie einen möglichst hohen Grad von Information über irgendeine andere Kultur, die ihre Mitglieder kennenlernenwollen.      

Artikel 38
Die Sprachen und Kulturen aller Sprachgemeinschaften müssen gerecht und ohne Diskriminierung in den Medien der ganzen Welt  behandelt werden.

Artikel 39
Die im ersten Artikel, Paragraphen 3 und 4 beschriebenen Gemeinschaften und die im Paragraphen 5 desselben Artikels erwähnten Gruppen haben das Recht auf eine gerechte Repräsentation ihrer Sprache in den Medien des Gebietes, auf dem sie sich niederlassen bzw. bewegen. Dieses Recht soll in Harmonie mit den Rechten der anderen Sprachgruppen oder Gemeinschaften des Gebietes ausgeübt werden.

Artikel 40
Im Bereich der Informationstechnologie sind alle Sprachgemeinschaften berechtigt,  ihrem linguistischen System angepaßte Ausrüstung, sowie Mittel und Produkte in ihrer Sprache, zur Verfügung zu haben, um das Potential dieser Technologien für Selbstdarstellung, Erziehung, Kommunikation, Publikation, Übersetzung und Datenverarbeitung, sowie Verbreitung von Kultur im allgemeinen ausnützen zu können.

Sektion V
Kultur

Artikel 41
1. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, ihre Sprache in allen Formen kultureller Tätigkeit zu verwenden, zu bewahren und zu fördern.
2. Jede Sprachgemeinschaft muß dieses Recht völlig ausüben können, ohne daß ihr Raum sich hegemonischer Okkupation von seiten einer fremden Kultur unterziehen muß.

Artikel 42
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, sich in ihrem eigenen kulturellen Bereich voll zu entwickeln.

Artikel 43
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht auf Zugang zu den Arbeiten, die in ihrer Sprache produziert werden.

Artikel 44
Jede Sprachgemeinschaft hat - durch Verbreitung von angemessener Information - das Recht auf  Zugang zu interkulturellen Programmen und auf Unterstützung von Aktivitäten wie Ausländerunterricht in ihrer Sprache oder Übersetzung, Synchronisation, Post- Synchronisation und Versehen mit Untertiteln.    

Artikel 45
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht zu verlangen, daß die gebietseigene Sprache bei kulturellen Ereignissen und Diensten (Bibliotheken, Videotheken, Kinos, Theater, Museen, Archive, Folklore, kulturelle Industrien und alle anderen Manifestationen kulturellen Lebens) eine vorrangige Stellung einnimmt.

Artikel 46
Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, ihr linguistisches und kulturelles Erbe zu bewahren, einschließlich ihrer materiellen Manifestationen wie Dokumentsammlungen, Werke künstlerischer und architektonischer Art, historische Denkmäler und Inschriften in ihrer eigenen Sprache.

Sektion VI
Der sozioökononische Bereich

Artikel 47
1. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht, die Verwendung ihrer Sprache in allen sozioökonomischen Aktivitäten auf ihrem Gebiet festzusetzen.
2. Alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft sind berechtigt, in ihrer Sprache alle für ihre beruflichen Aktivitäten erforderlichen Mittel zur Verfügung zu haben, z.B. Referenzbücher und Dokumente, Instruktionen, Formulare, sowie IT-Materialien aller Art.
3. Die Verwendung anderer Sprachen in diesem Bereich kann nur erforderlich sein, wenn die Art der beruflichen Aktivität sie rechtfertigt. Auf keinen Fall kann eine später auftretende Sprache die Verwendung der gebietseigenen Sprache begrenzen oder unterdrücken.

Artikel 48
1. Auf dem Gebiet seiner/ihrer Sprachgemeinschaft ist jedermann berechtigt, seine/ihre Sprache mit voller gesetzlicher Gültigkeit in ökonomischen Transaktionen jeder Art  zu verwenden, wie Kauf und Verkauf von Gütern und Diensten, Bankverkehr, Versicherung, Arbeitskontrakte und andere.
2. Keine Klausel in solchen privaten Akten kann die Verwendung der gebietseigenen Sprache ausschließen oder begrenzen.
3. Auf dem Gebiet seiner/ihrer Sprachgemeinschaft ist jedermann berechtigt, über die für die obenerwähnten Operationen erforderlichen Dokumente in seiner/ihrer eigenen Sprache zu verfügen. Solche Dokumente sind Formulare, Schecks, Kontrakte, Rechnungen, Quittungen, Lieferungsscheine, Bestellungszettel und andere.

Artikel 49
Auf dem Gebiet seiner/ihrer Sprachgemeinschaft ist jedermann berechtigt, seine/ihre Sprache in allen Typen von sozioökonomischen Organisationen wie Gewerkschaften und andereim Handel und Gewerbe tätige Fachverbände zu verwenden.

Artikel 50
1. Jede Sprachgemeinschaft hat das Recht zu verlangen, daß ihre Sprache in Werbung, Auslage, Anschlägen und in dem Bild, das das Land überhaupt von sich selbst gibt, eine vorrangige Stellung einnimmt.
2. Aufeigenen Sprache volle mündliche und schriftliche Information zu erhalten über die Produkte und Dienste, die von kommerziellen Unternehmen geboten werden, wie Aufschriften, Gebrauchsanweisungen,  Zutatsbeschreibungen, Anzeigen, Garantien und andere.
3. Alle öffentlichen Ankündigungen, die mit der Sicherheit von Personen zu tun haben, müssen zumindest in der gebietseigenen Sprache ausgedrückt werden, unter Bedingungen, die nicht schlechter als die einer anderen Sprache sind.

Artikel 51
1. Jedermann hat das Recht, die gebietseigene Sprache in seinen/ihren Beziehungen zu Firmen, kommerziellen Unternehmen und privaten Organisationen zu verwenden und in derselben Sprache bedient und beantwortet zu werden.
2. Jedermann hat das Recht, als Klient, Kunde oder Verbraucher, von Etablissements, die sich an die Öffentlichkeit richten, in der gebietseigenen Sprache mündlich oder schriftlich informiert zu werden.

Artikel 52
Jedermann hat das Recht, seine/ihre beruflichen Aktivitäten in der gebietseigenen Sprache zu verrichten, es sei denn, daß die Funktionen, die sich der Arbeit anschließen, die Verwendung anderer Sprachen voraussetzen, wie bei Sprachlehrer/-innen, Übersetzer/-innen oder Touristenführer/-innen.
 
ZUSÄTZLICHE  BESTIMMUNGEN

Erstens
Die öffentlichen Behörden müssen alle geeigneten Maßnahmen treffen, um die in dieser Deklaration kundgegebenen Rechte innerhalb der jeweiligen Bereiche ihrer Jurisdiktion in die Praxis umzusetzen. Spezifischer noch, internationale Fonds müssen eingerichtet werden, um die Ausübung der Sprachrechte in Gemeinden zu fördern, denen es offensichtlich an Ressourcen mangelt. Somit müssen die öffentlichen Behörden für die nötige Unterstützung sorgen, damit die Sprachen der verschiedenen Gemeinschaften kodifiziert, transkribiert, unterrichtet und in der Verwaltung verwendet werden.

Zweitens
Die öffentlichen Behörden müssen sichern, daß die offiziellen Organe, Organisationen und betreffenden Personen über die Rechte und die sich aus dieser Deklaration ergebenden Pflichten informiert werden.

Drittens
Die öffentlichen Behörden müssen in Übereinstimmung mit der vorhandenen Gesetzgebung die Strafmaßnahmen festlegen, die erfolgen in Fällen, wo die in dieser Deklaration enthaltenen Sprachrechte verletzt werden.

ABSCHLIESSENDE  BESTIMMUNGEN

Erstens
Diese Deklaration schlägt die Bildung eines Rates der Sprachen innerhalb der Vereinten Nationen vor. Die Generalversammlung der UNO soll verantwortlich sein für das Zustandekommen dieses Rates, seine Funktionen definieren und seine Mitglieder ernennen und für die Bildung eines internationalrechtlichen Ausschusses, der die Sprachgemeinschaften im Sinne der hier anerkannten Rechte zu schützen hat.

Zweitens
Diese Deklaration empfiehlt und unterstützt die Bildung einer Weltkommission für Sprachrechte, ein nichtoffizielles, konsultatives Organ, das aus Vertretern von nichtstaatlichen und anderen von sprachrechtlichen Fragen betroffenen Organisationen besten.                                                    
 
Barcelona, im Juni 1996
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